Kleider machen Leute

Aktuelle Sonderausstellung im Heimatmuseum Ebern.

"Am Anfang steht immer eine gewisse Vorstellung, ein Konzept, wie man eine Ausstellung umsetzen will. Und manchmal hat man währenddessen so viele neue Ideen und alles entwickelt sich so harmonisch, wie in diesem Fall. Da kommt am Ende dann etwas ganz Wundervolles heraus."

Ingo Hafeneckers Worte zur Eröffnung der Ausstellung "Kleider machen Leute - Sonntagsstaat und andere Klamotten" zeugen von der großen Begeisterung, die ihr alle Beteiligten zugewandt haben.

Da ist natürlich der Museumsleiter selbst zu nennen, der das gesamte Lob allerdings an seine Mitstreiter weiterreichen will: Annemarie Heuler vom Stadtgeschichtlichen Museum in Karlstadt hat das Konzept entwickelt und die Begleittexte zu den Ausstellungsstücken verfasst. Auf Stefan Andritschkes Konto gehen "das Bühnenbild und mit Sicherheit der Hauptteil der Arbeit." Inge Günther hat mit "viel Liebe zum Detail" bei der Umsetzung geholfen.

Gemeinschaftsprojekt

Als Gemeinschaftsprojekt der beiden Museen widmet sich die Ausstellung vor allem einer Frage: "Wie haben sich die Menschen in der Region vor rund 100 bis 150 Jahren gekleidet?" Beantwortet wird sie diesmal "in fast allen Räumen des Heimatmuseums", denn bei der Inventarisierung sind sehenswerte Stücke zusammengekommen. Von einer Motorradkluft für Frauen aus den 1920er Jahren, über all(sonn-)tägliche Kirchengewänder und Trachten bis zum Festtagskostüm zur Goldenen Hochzeit ist alles dabei.

Da bleibt für Hafenecker nur der Wunsch, die Ausstellung möge den Besuchern das gleiche bereiten, wie ihren Entwicklern: Viel Vergnügen.
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von ECKEHARD KIESEWETTER

Der Fundus seines eigenen Hauses überrascht selbst einen altgedienten Museumsdirektor wie Ingo Hafenecker immer wieder. Jüngstes Beispiel ist der Umfang und die Qualität der Textilbestände, die jetzt Gegenstand einer neuen Ausstellung werden. Die Augen geöffnet für diese Kostbarkeiten hat ihm die Kunsthistorikerin und Volkskundlerin Annemarie Heuler aus Eußenheim bei Karlstadt. Sie hat die Kleidertruhen und Schränke inspiziert und all die Trachtengewänder, Festtags- und Alltagskleidung und Accessoires aus rund 200 Jahren wissenschaftlich inventarisiert. Möglich machte dies ein von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen entwickeltes und von der Unterfränkischen Kulturstiftung gefördertes Programm namens "Vino".

Nebenprodukt der sechsmonatigen Arbeit ist eine sehens-, besser gesagt erlebenswerte Ausstellung, die am Sonntag, 22. September, um 11.15 Uhr eröffnet wird. Der Titel "Kleider machen Leute - Sonntagsstaat und andere alte Klamotten" lehnt sich an eine gleichnamige Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller über einen Schneiderlehrling an, der es dank seiner noblen Kleidung zu Wohlstand und Ansehen brachte.

Erstmals im ganzen Haus

In der Reihe der Sonderausstellungen des Eberner Museums nimmt sie schon deshalb eine Sonderstellung ein, weil sie sich, ob der Fülle des Materials, erstmals über nahezu alle Räume des Heimatmuseums erstreckt. Wenn die Besucher am Wahlsonntag womöglich erstmals die neuen Herbstmäntel tragen, können sie sich ein Bild davon machen, wie aufwändig und liebevoll gewandet man früher am Tag des Herrn den Gottesdienst besuchte. Ingo Hafenecker ist hellauf begeistert, wenn er auf all die feinen Details und Verzierungen hinweist, die den Sonntagsstaat dereinst ausmachten. "Die ganze Woche ist man rumgeschlappt wie ein böser Finger, sagt er, "aber am Sonntag, da ging man zur Kirche, also zu Gott, und da war das Beste gerade gut genug."

Schmunzelnd und immer wieder selbst aufs neue erstaunt über die kenntnisreichen Anmerkungen, mit denen Annemarie Heuler jedes der ausgestellten Stücke versehen hat, verwiest er beispielsweise auf das schmucke Kostüm der Eberner Städterin um 1905 im dunkelblauen Samt und mit gläsernen Knöpfen besetzt, auf die vielgestaltigen Schneiderleibchen oder auf die "Abtrauer"-Gewänder, die man in der Zeit nach der Volkstrauer trug. Eine Eberner Besonderheit waren offenbar die aufwendigen Borten, Rüschen und Spitzen am Schürzenrand.

Schwarz und Weiß dominierten

Die bunten Modefarben unserer Zeit sucht man in der Ausstellung vergebens. Dunkle Töne, Schwarz und Weiß prägten zumeist die Garderobe, und selbst zur Hochzeit trug die Braut dereinst Schwarz. "Das lag vielleicht an Königin Viktoria," meint Hafenecker und spielt damit auf die britische Monarchin an, die "Witwe von Windsor", die nach dem Tod ihres Mannes Albert von 1861 an nur noch schwarze Kleidung trug. Ob sie Trendsetterin eines Modestils war? "Oder aber die Frauen haben sich gesagt, schiebt Hafenecker sogleich scherzhaft nach, "von jetzt an seh' ich schwarz, weil ich heiraten muss".

Eine der Kostbarkeiten im Museumsbestand ist ein Taufkleid, das in einer Eberner Familie über Generationen weitergegeben wurde und erstmals 1895, dann 1925 und 1955 sowie nochmals im vergangenen Jahr im Einsatz war.

Zu sehen ist auch eine beeindruckende Auswahl filigran bestickter Wandbehänge und Stoffe, Bettwäsche und Tücher für den Alltagsgebrauch, deren liebevolle Gestaltung dem Besucher unvermittelt die Charakterlosigkeit unserer Wegwerfgesellschaft vor Augen führt. Wie viel Zeit und Muse hat man doch damals in jedes Stück gesteckt und welch eine Kostbarkeit waren eigene Kleider!

Die Unterwäsche der Vorfahren

Die Ausstellung spart auch das Darunter nicht aus, das mit den Dessous unserer Tage so gar nichts zu tun haben will. Sofern Unterwäsche vor 100 Jahren überhaupt schon bekannt war, sorgten die "Unaussprechlichen" für Empörung in der konservativen Gesellschaft. Am besten redete man gar nicht darüber, wenigstens nicht in der Öffentlichkeit. Heute sorgen "Stehbrunzer" und "Hinterlader" eher für ungläubiges Schmunzeln. Auf einem der vielsagenden Zettelchen mit kurzen und prägnanten Erklärungen liest man, dass Mann und Frau dereinst ein langes Hemd unter der Oberbekleidung trugen, und zwar "um diese vor der Verschmutzung durch den ungewaschenen Körper zu schützen."

Die Ausstellung voller netter kleiner Überraschungen und sehenswerter Details wurde in Zusammenarbeit mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Karlstadt erarbeitet, in dem Annemarie Heuler Mitarbeiterin ist. Dort waren etliche der Exponate bereits von Juli bis September zu sehen. In Ebern wurde sie jetzt mit vielen ortstypischen Stücken ergänzt.

Lob an die Initiatoren

Den Initiatoren Annemarie Heuler M.A., Stefan Andritschke und Inge Günther ist eine anschauliche und mit Liebe zum Detail gestaltete Schau gelungen, die bis Sonntag, 17. November, zu sehen sein wird. Ausdrücklich weist Ingo Hafenecker darauf hin, dass das eindrucksvolle Ergebnis deren Verdienst sei und nicht das seine. Auch wenn er sich insgeheim schon darauf freut, als Bürgervereins-Vorsitzender und Museumsleiter das Lob dafür einstecken zu dürfen: "Ich bin so was wie der General, der den Lorbeer einsteckt, obwohl ganz andere gekämpft haben"

Hafenecker legt die Hände unterdessen nicht in den Schoß, sondern ist an anderer "Front" gefordert, im ehemaligen Bekleidungshaus "Xaver Mayr" am Fuße des Stadtbergs. Schließlich ist die Textil-Sonderausstellung nur eine der Aufgaben, die sich der Bürgerverein Ebern als Veranstalter zur Zeit aufbürdet. Bereits eine Woche später, am Samstag, 28. September, soll die Dauerausstellung mit Werken des Tier- und Jagdmalers Willi Schütz in der neuen "Xaver-Mayr-Galerie" eröffnet werden.

 

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